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Titel

Auf den Spuren des Friedenspfades

- Fünf Tage auf alten Militärpisten im Trentino -
von Eckart Heinrich

Inhalt:


Wieder unterwegs

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Kein Geräusch ist zu hören. Ich liege in der Sonne und betrachte die Ruinen des Forte Sommo Alto. Zerschossen und zerbombt steht die Ruine vor mir. Im ersten Weltkrieg, als hier der Kampf tobte, hätte ich nicht hier sein wollen. Ich habe Schwierigkeiten mir vorzustellen, wie das wohl war, als die Granaten einschlugen und die Soldaten um ihr Leben kämpfen mußten. Aber das ist ja auch schon lange her. Heute ist hier alles ruhig, fast idyllisch. Nur die Ruine des Forte und die Militärstraßen erinnern noch an die Kriegshandlungen.

Die Militärstraßen sind es, die uns hierher gelockt haben. Adi und ich sind mal wieder mit dem Bike unterwegs. Wir wollen eine Woche lang abschalten, die Natur genießen und biken, biken, biken. Wir sind nun schon den zweiten Tag unterwegs. Gestern sind wir von Oy nach Caldonazzo gefahren und haben das Auto dort abgestellt.

Wir haben unser Gepäck geschultert und uns auf den Weg gemacht. Fünf Tage wollen wir auf alten Militärpisten und Wanderwegen mit unseren Bikes unterwegs sein...

Der erste Tag führte uns von Caldonazzo zunächst die Kaiserjägerstraße hinauf. Ein kühn in den Berg gesprengter Asphaltpaß, der aber mit seinen Ausblicken und rohen Felstunnels schön zu fahren war. Nach der Paßhöhe verließen wir die Teerstraße und es begannen die alten Militärpisten der "Hochebene der Sieben Gemeinden". Vor zwei Jahren waren wir auf dieser Hochebene schon einmal 5 Tage mit den Bikes unterwegs. Wir erkannten einige auffällige Berge und ein altes Fort in der Ferne wieder. (Cima Vezzena). Aber auf dieser Tour wollten wir neue Wege erkunden und neue Gebiete kennenlernen. Wir fuhren weiter zum Forte Luserna. Dies war der höchste Punkt des Tages (1549 m). Die Sonne brannte vom Himmel und wir suchten uns ein schattiges Plätzchen zum Brotzeit machen.

Von der Aussicht hatten wir uns zwar mehr versprochen, aber die Natur hatte sich das Gelände zurückerobert und überall standen hohe Bäume und es gab keinen guten Aussichtspunkt mehr. Das Forte war einigermaßen erhalten. Es gab viele Gänge, in denen wir ein wenig umherirrten.

Nach Brotzeit und Besichtigungstour führte uns der Weg weiter Richtung Luserna. Wir fuhren einen Singletrail durch den Wald und waren bald in Luserna (1333 m). Ein netter verschlafener Ort. Hier tranken wir den ersten Cappuccino. Wir haben es genossen, in der Nachmittagssonne zu sitzen und dem geruhsamen Treiben zuzusehen.

Auf kleinen Nebenwegen ging es Richtung Malga Laghetto und von dort dann auf dem Friedenspfad Richtung Forte Belvedere (1177 m). Ein super Bikeweg, der durch einen Wald führte. Wir heizten dahin. Plötzlich wurde Adi mißtrauisch. Sein Hinterreifen wurde immer schwammiger. Tatsächlich, er hatte einen Platten. Man muß dazu sagen, daß wir auf unseren großen Touren noch nie einen Plattfuß hatten. Einmal ist halt immer das erste Mal. Also sah ich, gemütlich in der Sonne sitzend, dem Adi beim Flicken zu. Gut hat er das gemacht.

Schnell war dieser Zwischenfall vergessen, denn der Weg wurde immer besser. Immer ein schmaler Waldweg. Mal eben, mal bergab. Super!

Das Forte Belvedere schließlich war ein Museum. Wir sahen uns nur die gut erhaltenen Anlagen von außen an. Ein Besuch des Museums hätte sich aber bestimmt gelohnt!

Schließlich kamen wir durch einen netten Ort mit zwei kleinen Gasthöfen. Vor einem stand die Wirtin und begrüßte uns freundlich. Kurz entschlossen nahmen wir gleich hier ein Zimmer. Die letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse nutzten wir noch für einen Cappuccino. Also der erste Tag war schon mal toll. Immer wieder haben wir Schilder gesehen, die einen Bikeweg kennzeichneten. Wir nahmen uns vor diesen noch genauer zu erkunden. Vielleicht kann uns dieser beschilderte Weg bei der Routenfindung helfen. Das Essen am Abend rundete den Tag noch ab und wir fielen in einen tiefen Schlaf.


Auf schmalen Pfaden

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Am Morgen des zweiten Tages lachte uns die Sonne wieder entgegen. Nach einem guten Frühstück machten wir uns wieder auf den Weg. Bald kamen wir am Lago di Lavarone vorbei. Er lag direkt an der Ortschaft Chiesa (1172 m). Hier fanden wir in einem kleinen Laden eine Karte von der Gegend, in die der Weg eingezeichnet ist, dessen Beschilderung wir gestern schon mehrfach gesehen hatten. "100 km dei Forti" haben ihn die Italiener genannt. Die Teilstücke, die wir schon fahren konnten, waren für Biker echt super. Auf der Karte war zu erkennen, daß der Weg in weiten Teilen unserer geplanten Route entspricht und so kauften wir die Karte, um sichere Alternativen für Straßenpassagen zu haben und nicht immer nach dem Weg schauen zu müssen, denn die Beschilderung dieses Weges war bisher immer eindeutig. Unsere Fahrt ging weiter über Carbonara (1074 m) und über den Passo del Sommo (1343 m) zum Forte Sommo Alto (1613 m), das wir gegen Mittag erreichten. Und hier sitze ich also und träume in der Sonne vor mich hin. Sehen wir mal wie es weitergeht.

In südlicher Richtung sind die Gipfel in Wolken. Einer von ihnen muß der Pasubio sein. Vor diesem Gipfel habe ich irgendwie Respekt. Ich kann nicht sagen warum. Ist es wegen der Strade del Galerie, die in Bikerkreisen so etwas wie Kultcharakter hat. Oder ist es wegen der Kriegshandlungen, die im Gebiet des Pasubio mit der Sprengung eines Teiles des Bergmassives ihren Höhepunkt fand. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall werden wir morgen dort sein. Soviel ist sicher.

In östlicher Richtung sind auch hohe Gebirgszüge zu erkennen. Einen halte ich für den Monte Altissimo (am Gardasee). Aber sicher bin ich mir nicht. Nach unserer Mittagspause auf der Sonnenbank fahren wir weiter Richtung Monte Maggio. Der Weg wird von Meter zu Meter schöner. Teilweise ist es ein schmaler Singletrail, teilweise eine Militärstraße. Die Ausblicke sind traumhaft und wir sind begeistert. Bald sehen wir in der Ferne das riesige eiserne Gipfelkreuz des Monte Maggio (1853 m) und nach einiger Zeit stehen wir dann mit unseren Bikes an diesem Gipfelkreuz. Die Militärpisten auf den Gipfel sind super Bikewege. Komplett fahrbar, einsam und immer wieder hat man traumhafte Ausblicke in die umliegende Bergwelt.

Leider zieht vom Tal her Nebel auf und so haben wir nicht viel von der Aussicht. Wir fahren bald weiter dem E5 folgend, Richtung Malga Borcola. Der Weg ist toll. Ein schmaler Wanderweg, der gut zu fahren ist. Wenn man die Ausblicke genießen will, muß man stehenbleiben, sonst würde man mit Sicherheit abstürzen. Einige Stellen müssen wir schieben oder tragen, aber das fällt kaum ins Gewicht. Schließlich kommen wir wieder unter die Baumgrenze und fahren auf einem Waldweg weiter. Mitten im Wald steht auf einmal ein alter verrosteter Militärlastwagen neben dem Weg. Auf der Ladefläche wächst inzwischen schon Farn. Wie ist der bloß hier raufgekommen? Der Singletrail, den wir befahren muß wohl mal eine breitere Militärpiste gewesen sein. Anders können wir uns das nicht erklären. Weiter geht die Fahrt und schließlich purzeln wir auf eine schmale Teerstraße und lassen uns neben ihr ins Gras fallen. Ein Stück die Straße hinauf sieht man die Malga Borcola. Am Schluß ging es noch mal ziemlich zur Sache. Plötzlich stelle ist fest, daß eine meiner Radelflaschen verschwunden ist. Scheiße und das schon am zweiten Tag. Ich habe doch erst vor kurzem noch etwas aus der Flasche getrunken. Sie kann nicht weit sein. Da es mir zu steil ist um den Weg wieder hinauf zu fahren, laufe ich den Weg wieder hoch. Nach ein paar hundert Metern finde ich die Flasche tatsächlich auf dem steinigen Weg. Nach einer kleinen Rast folgen wir dann der Teerstraße Richtung Possina. Steil und mit unendlich vielen Kehren schraubt sich dieses Paßsträßchen ins Tal. Nach müheloser Fahrt erreichen wir Possina (554 m). Hier wollen wir übernachten. Wir finden ein Zimmer im Gasthof Trattoria All'Alpino und genießen wieder einen Cappuccino in der Abendsonne.

Während wir hier so sitzen und unseren Cappuccino genießen, kommt eine ganze Horde österreichische Motorradfahrer und parkt ihre schweren Motorräder vor "unserem" Gasthaus. Auch sie wollen hier übernachten. Sie werden aber in einem anderen Haus untergebracht, weil sie nicht alle Platz haben. Uns stört dies nicht. Die kleine verschlungene Paßstraße, die wir mit soviel Spaß heruntergeheizt sind, bezeichnen diese Nobelbiker mit ihren 1300er und 1500er Maschinen als Zumutung. Die Geschmäcker sind halt verschieden.


Pasubio

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Nach einem guten Frühstück machen wir uns wieder auf den Weg. Heute steht also der Pasubio auf dem Programm. Ich bin schwer gespannt. Am Anfang geht es eine asphaltierte Straße hinauf zum Alpino beim Colle Xomo (1058 m). Kurz danach endet dann die Teerstraße. Eine grobe Schotterpiste führt weiter. Nicht viel später zweigt dann die Strada del Galeria ab. Das schauen wir uns genauer an. Auf dem kleinen Parkplatz sind Leute damit beschäftigt sich Kletterzeug anzulegen. Was soll denn das werden? Ein genauerer Blick in die Karte läßt die Sache klarer werden. Parallel zu der Tunnel-Strada führt ein Klettersteig auf den Pasubio. Ich denke, es wäre eine schöne Runde den Klettersteig hinauf und dann die Tunnelstraße wieder hinab zu gehen. So wollen es wohl auch die Leute machen, die wir beim Anlegen des Kletterzeuges beobachtet haben.

Viel ist von der Tunnel-Strada aber von hier nicht zu erkennen. Von oben sehen wir sicher mehr. Also geht es weiter auf dem Schotterweg den Berg hinauf. Mit mäßiger Steigung schraubt sich die Militärstraße auf den Berg. Mit jeder der schier endlosen Kehren kommen wir höher und die Aussicht wird besser. Kein Mensch ist hier unterwegs. Einsam kurbeln wir hinauf. Roh in den Felsen gesprengte Tunnel lockern die Sache auf. Dann plötzlich biegen wir in einen Einschnitt ein und sehen staunend, wie die Militärstraße vor uns circa 3 km fast pfeilgerade auf einen Sattel zustrebt. Da muß das Rifugio Papa und die Porte del Pasubio (1928 m) liegen. Dort wollen wir heute übernachten.

Auf dem Rifugio Papa (1934 m) angekommen erleben wir erstmal das übliche Chaos, das scheinbar auf Alpenvereinshütten immer herrscht. Es ist Mittagszeit und entsprechend viel los. Kantinenmäßiges Treiben. Übel. Wir beschließen später wiederzukommen und uns inzwischen die Tunnel-Strada näher anzusehen. Am Zugang zur Strada del Galeria steht kein Bikeverbotschild. Es ist dort aber ein für italienische Verhältnisse eindringlicher Appell angeschlagen, diese "Straße" nicht mit dem Bike zu befahren. Man solle sich der geschichtlichen Bedeutung dieser Straße und der ganzen Gegend bewußt sein und sich entsprechend verhalten. Jeder sei hier herzlich willkommen, er solle sich aber so verhalten, daß keiner in seiner Andacht und Ruhe gestört wird. Von einem Todesfall eines jungen Deutschen ist auch die Rede. Kurz um, wir beschließen die Strada del Galeria zu Fuß zu begehen. Bis circa zur Hälfte laufend stellen wir fest, daß sie eine Reise wert ist. Ausblicke haben wir leider nicht viel, denn es ziehen Nebelschwaden vom Tal den Berg hinauf. Aber die Tunnel sind toll. Ich habe mir sie zwar länger vorgestellt, aber sie sind schon eindrucksvoll. Wenn man sich vorstellt, daß die 52 Tunnel in knapp einem halben Jahr Bauzeit entstanden sind. Wahnsinn. Es gibt sogar welche, die sich korkenziehermäßig durch den Fels schrauben. Biken wäre außerhalb der Tunnel kein Problem. Aber es geht so oft durch Tunnel, daß man hier schon besser zu Fuß aufgehoben ist. Es sind auch einige Wanderer unterwegs. Die Strada del Galerie ist ein Teilabschnitt des Fernwanderweges E5 und schon aus diesem Grund sind genügend Wanderer unterwegs.

Als wir am späten Nachmittag wieder beim Rifugio ankommen, sieht es dort schon besser aus. Die Massen sind verschwunden. Nur noch wenige Gäste sind da. Wir gönnen uns noch einen Cappuccino auf der Terrasse und schauen den Bikern zu, die noch hinaufkommen. Viele laufen noch in die Strada del Galeria, trinken einen Cappuccino auf der Terrasse und biken wieder hinunter. Entweder über die Strada degli Eroi oder über Colle Xomo (unser Aufstieg). Dies ergibt dann einen tollen Rundweg mit dem Rifugio Papa als Gipfelpunkt.

Schließlich wird es uns zu frisch und wir quartieren uns ein. Matratzenlager ist angesagt. Aber da es heute Nacht nur fünf Übernachtungsgäste gibt, haben wir eins der vier Lager für uns alleine. Nach dem Duschen schauen wir uns das inzwischen beschauliche Treiben auf der Hütte an. Ein Pärchen schreit verzweifelt nach dem Wirt, weil sie zahlen wollen. Der Lehrbub kehrt die Terrasse. Irgendwo scheppert ein Radio. Hüttenromantk? Der Abend auf der Hütte ist so recht nach unserem Geschmack. Wie gesagt wir sind nur fünf Übernachtungsgäste. Es gibt ein gutes Abendessen und ab acht Uhr nur noch Kerzenlicht, weil es sich nicht lohnt, den Generator laufen zu lassen. Bei einem guten Rotwein ist dann auch das Problem vergessen, daß wir keinen Schlaf-sack haben und der Wirt keine Bettwäsche und keine Handtücher finden wollte. Handtücher hat er schließlich doch gefunden (Geschirrhandtücher) und einen Hüttenschlafsack hat er uns dann auch noch herbeigezaubert. In diesem haben wir dann auch tief und fest geschlafen. Im Traum habe ich mich dann beim Adi für den dramatischen Abzug im 66 revanchiert. Er hatte die Ehre und ich die Rotweinrechnung.


Der Wahnsinn

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Am nächsten Morgen ist der Ausblick einfach gigantisch. Keine Wolke ist am Himmel. Nur im Tal, tief unter uns, liegt Nebel. Wir sind ja auch etwas über 2000 Meter hoch. Ich kann ein schönes Foto vom Rifugio bei aufgehender Sonne machen und bei dem Wetter und der Umgebung macht das Frühstücken besonders viel Spaß. Schließlich sind alle Sachen verpackt und es geht wieder auf die Piste. Für heute haben wir uns einiges vorgenommen. So circa 3500 negative und 2000 positive Höhenmeter. Na da sind wir doch mal gespannt. Beschaulich geht es los. Wir überwinden die letzten 200 Höhenmeter zum Gipfel des Pasubio (Cima Palon 2232 m) und schauen uns genauer um. Wenn man nicht die vielen Gedenksteine, Kreuze und alten Stellungen sehen würde, könnte man sich nicht vorstellen, was hier im Krieg abging. Ehrlich gesagt kann ich es mir auch so nicht vorstellen. Als wir den Gipfel dann hinter uns gelassen haben, wenden wir den Blick nach vorne und genießen wieder die tollen Bikewege. Vom Gipfel des Pasubio bis zum Rifugio Lancia (1825 m) führt ein so pervers-genialer Weg, daß man ihn nicht beschreiben kann. Das muß man erlebt haben! Das Rifugio Lancia selber macht auch keinen schlechten Eindruck auf uns. Von dort aus führt der Weg dann weiter über die Malga Zocchi (1642 m) zur Bocchetta di Foxi (1720 m). Hier angekommen geht es kräftig bergab Richtung Anghebeni (632 m). Nach der Karte war ich nicht sicher, ob man hier fahren kann. Der erste Eindruck: Man kann nicht! Also schieben und tragen wir mal wieder ein Stück. Schließlich kann man aber immer größere Stücke fahren und schließlich gipfelt es in einen nichtendenwollenden Traumpfad. Endlose Serpentinen, deren sanfte Kehren wie für Biker gemacht sind. Ein starkes Gefühl. Schier endlos geht es ins Tal. Schließlich hat es doch ein Ende. Als wir zurückblicken, können wir es fast nicht glauben, auf welcher Höhe wir noch vor kurzem waren. Jetzt kommt wieder ein Stück Asphaltstraße. In Riva (716 m und nicht am Gardasee!) haben wir uns eine große Portion Pasta verdient. Wir genießen sie auf einer sonnigen Terrasse. Von dieser Terrasse aus können wir den "Gegenhang", von dem wir von der Bocchetta di Foxi ins Tal gerauscht sind, erkennen. Kein Mensch käme von hier aus auf die Idee, daß dort ein so genialer Bikeweg hinunterführt. Nur die Eingeweihten wissen Bescheid.

Nach einem Cappuccino geht es dann weiter. Wir wollen ja noch auf den Monte Zugna (1864 m). Also wieder in die Pedale getreten. Schließlich ist es dann soweit. Das "unsicherste" Stück Weg ist erreicht. Über dieses Teilstück konnte ich bei der Planung keine Informationen bekommen. "Im schlimmsten Fall müssen wir halt die 400 Höhenmeter tragen". Für Mountainbiker gibt es ja keine unüberwindlichen Hindernisse. Bald wird uns klar, daß das mit den 400 Höhenmetern tragen gut geschätzt war. Aber nach circa einer Stunde ist dies auch geschafft. Wir sind auf dem Höhenzug des Monte Zugna.

Wir folgen dem Weg weiter Richtung Rifugio Malga Zugna. Dieser Pfad ist wieder wie für Biker gemacht. Uns fehlen die Worte. Überall sind tolle Ausblicke. Mal tief ins Tal, mal ist plötzlich ein Tunnel mit Ausblick "hinter den Berg" zu bestaunen. Beeindruckend. Eine kleinere Schiebestrecke haben wir schließlich noch zu überwinden, dann sind wir am Ex Fortino di Gerra, direkt nach dem Zugnagipfel (1864 m) angekommen. Dieses Forte ist zwar renoviert, aber trotzdem es ist nicht sehr sehenswert. Leider gibt es am Refugio Zugna, kurz hinter dem Forte, keinen Cappuccino und wir fahren weiter Richtung Rovereto. Wo immer es geht, zweigen wir von der inzwischen geteerten Straße auf den Friedensweg ab. Auf weiten Teilen ist dieser gut zu fahren. Bald wird es aber recht chaotisch und wir müssen auch einiges schieben. (Bergab!) Schließlich kommen wir über einen Schotterweg nach Rovereto. Dann Kulturschock. Noch am Morgen die Abgeschiedenheit des Rifugio Papa und die einsamen Wege am Pasubio und jetzt am Abend Rovereto. Und das dickste ist, wir finden keinen Gasthof. Nur Hotels. Nach circa einer Stunde geben wir es dann auf und traben einfach in eine dieser Nobelherbergen. Schließlich haben wir uns das verdient. Also duschen wir heute mal stilvoll in Marmorambiente und sortieren unser Equipment auf dem Mahagonischreibtisch. Nach einem kurzen Streifzug durch die Innenstadt finden wir eine nette Pizzaria und wir freunden uns langsam mit der Stadt an. Ich hätte einfach bei der Planung mehr Mühe darauf verwenden müssen, Rovereto zu "verhindern". Nicht daß es keine schöne Stadt wäre, es paßt einfach nicht in den Charakter dieser Tour.


Alles hat ein Ende

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Nach einer ruhigen Nacht und einem großen Frühstücksbüffet machen wir uns auf zur letzten Etappe. Heute geht es noch mal richtig zur Sache. Von Rovereto geht es immer schon gleichmäßig (und schier endlos!) bergauf. Als wir dann die Hauptstraße verlassen, bin ich erstaunt, daß der Weg hier geteert ist. Ich hätte mit Schotter gerechnet. Aber es ist ein einsamer Weg. Hier stehen viele Wochenendhäuser der Städter aus Rovereto. Die schmale Straße führt durch dichten Wald. Schließlich geht der Weg dann doch in Schotter über. Das Wetter ist wieder super. Wir genießen jeden Meter. Dies ist immer so am letzten Tag. Man versucht alles noch intensiver in sich aufzusaugen. "Möglichst viel mit nach Hause nehmen", speichern, jedes Detail merken, nur nichts übersehen. Ein starkes Gefühl. Ein Hochgenuß. Es dauert auch oft ein paar Tage, bis die Sinne wieder richtig geschärft sind für die Schönheiten der Natur. Leider ist dann die Tour oft schon fast wieder vorbei.

Gegen Mittag liegen wir dann unterhalb des Rifugio Filzi im Gras und lassen uns die Sonne auf den Pelz brennen. Um uns herum die Berge, die wir in den letzten Tagen beradelt haben. Eine großartige Kulisse. Wir stellen fest, daß Adis Ventile am Rad schon wieder verdächtig schief stehen. Das ist neuerdings ein Problem bei seinem Rad. Am Anfang der Saison hat er sich schon mal ein Ventil abgerissen und einen filmreifen Sturz hingelegt. Um eine Wiederholung zu vermeiden, stellt er seine Ventile wieder gerade. Schließlich geht es weiter. Wir fahren dem Caldonazzosee entgegen. Erst ist mal wieder ein Downhill angesagt. Auf Schotterwegen düsen wir hinab Richtung Serrada (1250 m). Dann ist eine kurze Passage auf Teer angesagt. In Folgaria (1166 m) kommt uns eine Gruppe bepackter Tourenbiker entgegen. Die haben scheinbar auch etwas Größeres vor oder hinter sich. Schließlich kommen wir wieder an den Passo del Sommo (1343 m). Hier schließt sich unser Kreis. Am zweiten Tag haben wir diesen Paß aus der anderem Richtung schon befahren.

Heute ist Freitag, man merkt, daß das Wochenende naht. Es sind mehr Leute unterwegs, als unter der Woche. Nun kommt uns wieder die Karte von dem 100 km dei Forti zu Gute. Wir suchen uns die beste Route entlang dieser genialen Bikewege und fahren einfach der Beschilderung nach. Wie von selbst geht es über Schotterpisten, Wald- und Forstwege. Bei uns würde man sicher erschossen, gesteinigt, geteert und gefedert. Hier ist es ein markierter Bikeweg. Bergauf, bergab geht der Weg, vorbei an Ortschaften, alten Forte und durch dichte Wälder. Es ist fast wie fliegen.

Schließlich kommen wir in der Nähe vom Albergo Rovere (1255 m) wieder an die Teerstraße. Jetzt trennt uns nur noch die Kaiserjägerwahnsinnsteerstraßenabwärtsheizerei von Caldonazzo. Todesmutig stürzen wir uns hinab. Kehre um Kehre schrauben wir uns von der Hochebene ins Tal hinab Richtung Caldonazzo. Bei einem der Felstunnel merke ich, daß Adi nicht mehr hinter mir ist. Ich bleibe stehen und warte. Nach circa 10 Minuten ist er noch immer nicht aufgetaucht. Ich mache kehrt und fahre wieder hinauf. Schon bald sehe ich ihn in einer Kehre seinen Schlauch flicken. Hat er noch einen Platten gefahren? Es war wieder ein Ventilabriß! Obwohl er doch erst am Mittag das Ventil noch gerade gesetzt hat. Zum Glück war es kurz vor einer Kehre. So hatte er kein hohes Tempo drauf. Er hat es gleich bemerkt und konnte schlimmeres verhindern. Das hätte auch anders ausgehen können. Aber der Schaden ist bald behoben und weiter geht die Fahrt ins Tal. Am Ende des Passes lassen wir es gemütlich ausrollen. Die Tour ist zu Ende. Wir erreichen Caldonazzo beim gleichen wolkenlosen Himmel wie wir es verlassen haben. Auf der Terrasse des Albergo Due Spade gibt es einen Abschlußcappuccino. Eine Woche Genußtraumbiken geht ihrem Ende zu. Wir gehen die Highlights der Woche und speziell dieses Tages noch mal durch und sind uns mal wieder einig, daß wir nächstes Jahr wieder eine Wochentour machen müssen...


Alternativen und Reisezeit

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Bei der Nachbearbeitung der Tour ist mir eine Alternative zur Übernachtung in Rovereto aufgefallen. Nicht daß Rovereto keine Reise wert ist. Es paßt einfach nicht in diese Tour. Es ist halt eine große Stadt. Mit allen Vor- und Nachteilen.

Vom Refugio Zugna der Straße Richtung Rovereto folgen und, wo immer es möglich ist, den parallel verlaufenden Friedenspfad fahren. Bei der Höhe 1238m, wo der Friedenspfad Richtung Piste die Dinosauri nach Nordwesten von der Straße fortführt nicht mehr auf den Friedenspfad (ist hier sowieso nicht mehr fahrbar!) sondern auf der Straße Richtung Albaredo (702 m) fahren und dort in der Herberge übernachten. Von dort dann am nächsten Tag dann über Rovereto weiter auf beschriebenem Weg.

Wichtig: Die Übernachtung in Albaredo ist nicht abgesichert. Ich habe diese Variante nur aus der Karte abgelesen. Es empfiehlt sich also zu telefonieren!!!

Unsere Reisezeit: Wir sind die Tour vom 1. September 1997 bis 6. September 1997 gefahren. Der frühe Herbst ist sicher die beste Reisezeit (Bikezeit) in dieser Gegend.

Verwendete Karten

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Kompass 101, "Rovereto, Monte Pasubio", 1:50000 (enthält, bis auf eine kleine Ecke, die gesamte Tour)
Kompass 75, "Trento-Lévico, Lavarone", 1:50000 (enthält die kleine Ecke, die in der Kompass 101 fehlt)
Kompass 631, 1:25000 (enthält einen Teil der beschriebenen Tour; hier ist der 100 km dei Forti eingezeichnet)

Ergänzende Literatur

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[ 1 ] Walther Schaumann, "Schauplätze des Gebirgskrieges II", Verlag Ghedina & Tassotti, Editori srl, Italien, ISBN 88-7691-109-X
[ 2 ] Zeitschrift Mountain Bike, Ausgabe 3/97. Nähere Info unter www.mountainbike-magazin
[ 3 ] Zeitschrift Bike, Ausgabe 5/97, Beschreibung der Alpenüberquerung vom Brenner nach Riva. Nähere Info unter www.Bike-Magazin.de
[ 4 ] Zeitschrift Bike, Ausgabe 4/98, Spotguide 39, "Passubio". Nähere Info unter www.Bike-Magazin.de
[ 5 ] Zeitschrift Bike, Ausgabe 8/98, Spotguide 43, "Lavarone". Nähere Info unter www.Bike-Magazin.de


Technische Daten

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Die Technischen Daten habe ich - wegen der Übersichtlichkeit - in ein anderes Dokument ausgelagert. Hier findet ihr alles zur Streckenführung und den Übernachtungsmöglichkeiten.


Übersichtskarte

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Diese Übersichtskarte gibt einen groben Überblick über die Gegend in der unsere Tour verläuft. Details kann man auf dieser Übersicht allerdings nicht erkennen. Hierfür sei auf die angegebenen Detailkarten verwiesen.


Bilder der Tour

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Die Bilder zur Tour habe ich - wegen der Dateigröße - in ein anderes Dokument ausgelagert. Hier findet ihr ein paar optische Highlights der Tour. Leider muß ich mich natürlich auf ein paar Bilder beschränken. (Ich habe weder ISDN noch DSL!) Ich hoffe, es kommt trotzdem was rüber.


Stand: 9.05.2009
© by E.Heinrich